Corona: Faktenlage und „die Kräfte der Kritik“

von D. D.

I.         Lektüreempfehlungen zur Faktenlage

Lieber L. J., zunächst ein paar Verweise auf Texte zu dem, was dich „am meisten interessiert“:

 

Christof Kuhbandner: „Corona-Lockdown: Droht tatsächlich eine akute nationale Gesundheitsnotlage?“
(https://www.heise.de/tp/features/Corona-Lockdown-Droht-tatsaechlich-eine-akute-nationale-Gesundheitsnotlage-4942433.html)

 

Auf diese Quelle sowie auf sehr, sehr viele andere zum Thema „Corona“, wird u. a. auf den Seiten von Wolfgang Wodarg (https://www.wodarg.com/) verwiesen – neben etlichen eigenen Beiträgen dieses wahrlich ausgesprochenen Fachmanns, was Gesundheitspolitik zwischen epidemischen und endemischen Lagen angeht. Und dies in oft recht kurzen zeitlichen Abständen aktualisiert, so dass sich dort natürlich inzwischen eine Riesenmenge an Material angesammelt hat.

 

Mein Favorit für analytische Texte zum Corona-Geschehen ist nach wie vor Thomas Mauls website: Kritische Texte zur "Corona-Krise" inkl. Updates
(
https://www.thomasmaul.de/2020/04/kritische-texte-zur-corona-krise-inkl.html)

 

Diese Seite hatte ich übrigens bereits gleich am Anfang meines Textes zu „Die Linke und Corona“ verlinkt, worin es u. a. auch um den grob verleumderischen und frühere linke Essentials verleugnenden Umgang der parteilinken Antifa mit Wolfgang Wodarg ging.

 

Zuletzt bin ich bei der Online-Zeitung Trend auf einen Text gestoßen, der mit für meinen Geschmack ausgesprochen erfrischend wenig Zurückhaltung sich den Corona-Irrsinn zur Brust nimmt, anscheinend aus den klandestinen Tiefen linksradikaler Intervernetzung (indymedia und Co.) stammt und dort wohl sehr schnell unter Quarantäne gestellt wurde („Dieser Artikel wurde durch die Moderation entfernt“, heißt es da jetzt und man kriegt ihn nur noch über den Google-Cache zum link zu sehen). Aber auf den Seiten von Trend findet er sich gespiegelt:[1]

„Achtung Häresie oder wohlgerundete Knacknüsse für die scholastischen Corona-Sykophan­ten“ (http://www.trend.infopartisan.net/trd1120/t061120.html)

Einleitend heißt es darin (und das spricht mir aus dem Herzen):

„Aus Angst, beim ersten Anzeichen von Kritik sofort als Corona-Leugner, Covidiot oder rechter Verschwörungstheoretiker beschimpft und gebrandmarkt zu werden, geben sich die meisten bei ihren Einlassungen bewusst kompromissbereit, ja geradezu harmlos. Die Einleitung ‚Ich bin kein Corona-Leugner/Verschwörungstheoretiker/Verharmloser, wir wissen, das Virus existiert, aber ...‘ ist zur Standardfloskel geworden. Fast wie eine Opfergabe, ein Gastgeschenk wird sie beinahe unterwürfig dargebracht, um damit ein klein wenig gnadenvolle Aufmerksamkeit zu erheischen.

Das ist nicht nur zutiefst unwürdig, es löst Brechreiz aus. Es gibt keinen, aber auch nicht den geringsten Grund, sich dem faschistoiden Meinungsdiktat einiger elitärer Lautsprecher zu beugen. Wahrheit ist keine Verhandlungssache. Es ist Zeit, im Nahkampf des evidenzbasierten Disputs etwas härtere Bandagen anzulegen und die Zeugen Coronas endlich in die Schranken zu verweisen.“

Eine Ankündigung, die der Text dann, wie ich finde, ziemlich erschöpfend wahrmacht.

 

Nachtrag 1: Nachdem inzwischen ein paar weitere Tage ins Land gegangen sind, seit ich diese Antwort begonnen habe, schiebe ich hier noch den Verweis auf einen sehr lesenswerten Text ein, der den Irrsinn der Testorgie auseinandernimmt, mit deren Ergebnissen das absurde Panorama einer „zweiten Welle“ derzeit tagtäglich befeuert wird, und der dafür eine Erklärung liefert, die ganz ohne die Unterstellung auskommt, dass dunkle Machenschaften interessierter Strippenzimmer dahinterstecken (was indes keineswegs ausschließt, dass so etwas beim Corona-Theater schon die ganze Zeit auch im Spiel ist):
Michael W. Alberts: Blind durch Kontroll- und Testwut.

 

Nachtrag 2: Nochmal etwas zu dem, was dich „am meisten interessiert“:
Achgut.tv: Kaputtgespart und auf Corona geschoben: Der Intensiv-Notstand

 

II.      „die Kräfte der Kritik“ im Visier der Antifa

Dein zweites Anliegen („Außerdem“) macht mir allerdings einiges Kopfzerbrechen. Nicht, weil „das folgende Gespräch“, auf das du verweist und das ich übrigens noch nicht kannte,[2] mir Anlass dazu gäbe, meine in „Corona-Zeiten-Wende“ dargelegte Beurteilung der Querdenken-Bewegung zu revidieren. Ich sehe sie in dem Video vielmehr, vor allem was meinen Eindruck bis dato von einem ihrer maßgeblichen Protagonisten betrifft, soweit man ihn darin zu Wort kommen lässt, gut bestätigt. Dennoch finde ich es durchaus sehr erhellend und bin dir daher für den Hinweis darauf auch dankbar.

 

Erhellend ist es aber m. E. ausdrücklich nicht in Bezug auf Michael Ballweg und Querdenken, die angeblich „kein Problem … mit Nazis“ hätten. Gruselig finde ich vielmehr, in welcher Weise hier das linksdeutsche Milieu seinen Umgang mit Querdenken ganz ungeniert zur Schau stellt. Georg Restle tritt auf, als hätte er von ordentlichem Journalismus längst die Nase voll und wollte lieber eine Probe dafür abliefern, wie gut er sich eignete für eine Rolle, die angesiedelt ist irgendwo zwischen dem Präsidenten des nazistischen Volksgerichtshofes Roland Freisler und Stalins Generalstaatsanwalt Andrzej Wyszyński bei den Moskauer Schauprozessen. Und weil er für diese Rolle zwar offensichtlich die subjektive Disposition mit­bringt, ihm aber die objektive Voraussetzung einer entsprechenden Machtfülle weitgehend fehlt und es dergleichen heute bis auf weiteres auch gar nicht braucht, um Menschen, die man für politische Gefährder hält, unschädlich zu machen, hat er als Ersatz in Gestalt der Frau Rahner von der staatsoffiziösen Antifa, einen Kettenhund sich an die Seite geholt, der bei Gelegenheit blindwütig geifernd nachfassen darf.

 

Kein Interesse an der Faktenlage

Was die inhaltliche Seite der Angelegenheit angeht, die als „Gespräch“ zu bezeichnen, m. E. ein glatter Euphemismus wäre, so hätte sie eigentlich mit der Antwort auf des Moderators Frage „zum Einstieg“ sich erledigt, von wem nach Ballwegs Ansicht „die größere Gefahr für Demokratie und Grundfreiheiten“ ausgehe: „von den Regierenden in diesem Land oder von den Rechtsextremisten?“ Die erwartbare und durchaus moderat gehaltene Antwort des Delinquenten:

„Im Moment eindeutig von den Regierenden, die ja Grundrechtseinschränkungen machen, Demonstrationen, die regierungskritisch sind, verbieten möchten und in einer Pandemielage Grundrechtseinschränkungen auf einer dünnen Faktenlage immer weiter forcieren.“

 

Die auf diese Antwort an sich fällige Nachfrage, was es mit der „dünnen Faktenlage“ denn des Näheren auf sich habe, bleibt selbstverständlich aus. Auf dieses Glatteis mag sich das linksdeutsche Gemüt nicht begeben, hat es doch an der auf eben jener „dünnen Faktenlage“ gegründeten Behauptung einer angeblichen „Pandemielage“ von Beginn an nach Kräften mitgestrickt. Wie solide oder vielmehr in Wahrheit dünn (s. o. meine Lektüreempfehlungen) die „Faktenlage“ tatsächlich ist, will man links daher lieber gar nicht wissen. Und um diese mutwillige eigene Ignoranz als ganz besonders aufgeklärt und gegen anderer Leute Ignoranz gerichtet sich zurecht zu lügen, hat man von Beginn an auf hanebüchene Weise von hinten durch die Brust ins Auge gegen Opponenten der Corona-Politik argumentiert:

 

Statt die Faktenlage zu prüfen, mit deren Bewertung diese ihre Opposition begründen, stellt man ihren Leumund infrage, begibt sich auf die Suche nach Anhaltspunkten für einen schlechten Umgang, den sie angeblich pflegen, und erzeugt so unter der Hand einen argumentativen Zirkel, in dem man Runde um Runde sich im Kreis drehen kann, bis jemand die Puste ausgeht, ohne jemals zur Sache, d. h. zur „Faktenlage“ zu kommen. Denn gesetzt, die sei so dünn, wie Ballweg und Querdenken behaupten, dann gäbe wohl jeder, der auch nur halbwegs noch bei Verstand ist, ihm unbedingt Recht, dass „die größere Gefahr für Demokratie und Grundfreiheiten“ nicht von irgendwelchen randständigen „Rechtsextremisten“ ausgehe, sondern „eindeutig von den Regierenden“.

 

Querdenken in der „Mitte der Gesellschaft“

Und andersherum geht es auch bei der linksdeutschen Aversion gegen Querdenken ganz offensichtlich in Wahrheit nicht um ihre angebliche Nähe zu „Rechtsextremismus“ und sonstigem politischen Aussatz. Zwar glaubt Frau Rahner, als Restle sie von der Leine und ihren gedanklichen wie sprachlichen Dünnpfiff absondern lässt, Ballweg „Verfassungsfeindlichkeit“ attestieren zu dürfen, wo der sich auf einen Artikel dieser Verfassung beruft (Min. 19:49 f), und Restle selbst gibt sich unredlich Mühe, das, was er einesteils als „Gefahr“ bezeichnet, die Ballweg doch bitte zur Kenntnis nehmen möge, andernteils als bereits vollendete Tatsache darzustellen: die Kaperung von Querdenken durch den Rechtsextremismus. Aber die paar Beweisstücke, die er dafür vorlegt, sind billig zusammengestoppelt und werden von Ballweg eins ums andere entkräftet. Am Ende reduziert sich die Anklage auf den Vorwurf, Querdenken öffne dem Rechtsextremismus den Weg „bis weit in die Mitte der Gesellschaft“, in der sich demnach Querdenken offenbar aufhält – eine politische Topographie, die schlecht passt zu der Insinuation, Querdenken bewege sich in der Nähe des rechten Rands der Gesellschaft oder gar, wie’s die Betitelung des Videos bei YouTube behauptet, gehöre dazu.

 

Dass indes mancher von dort jetzt seinerseits die Gelegenheit wahrnimmt, sich dieser Mitte zu nähern, muss an sich doch niemanden schrecken. Ist es denn gar so ausgeschlossen, dass etwa ein Stephan Bergmann – dessen im Videoclip vorgeführte Äußerung Restle übrigens wahrheitswidrig dahin zusammenfasst, dass Bergmann die Gültigkeit des Grundgesetzes bestreite – sich die, wie ich finde, durchaus bedenkenswerte Position Ballwegs in Sachen Grundgesetz (Min. 14:00 f) zueigen macht? Nichts jedenfalls spricht dafür, dass es sich umgekehrt verhielte.

 

Im Fall des Herrn Nehrling dagegen, der nach allem, was Restle (Min. 17:23 f) in seiner Sendung zeigt, offensichtlich als Provokateur unterwegs ist und womöglich sogar im Auftrag des Staatsschutzes, zögert Ballweg schließlich (nachdem ihn Restle zunächst, wie mir scheint, absichtsvoll ins Messer hat laufen lassen) nicht, wie auch Restle dann anerkennen muss, „jetzt mal ’n klares statement“ zum machen (Min. 24:22 f):

„Lieber Nikolai Nehrling, lass dich auf unsern Demos nie mehr blicken. Du bekommst auch keinen Zugang mehr in unsern Pressebereich.“

Und Ballweg macht dabei nun wirklich nicht den Eindruck, als sei sein Entsetzen über den Mann gespielt.

 

Zusammenspiel von Staatsmedien und rechtsvernetztem Staatsschutz

Einmal mehr glatt gelogen ist im Übrigen, nachdem Ballweg gleich anfangs (Min. 5:20 f) klargestellt hatte, dass die Kundgebung am Reichstag nicht von Querdenken angemeldet worden war, Restles Behauptung (Min. 17:14 f), der von ihm präsentierte „kleine Auszug aus einer Rede von Herrn Nehrling“, in der dieser seine „sechs Millionen“ ablässt, stamme von einem Auftritt des Herrn „am Rande der Demonstration“. Wie der Videoclip unschwer erkennen lässt, hält Nehrling diese Rede auf der Kundgebung beim Reichstag, von der kurz darauf der kleine „Sturm“ auf denselben seinen Ausgang nimmt, der dann im Nachgang wie aufs Kommando aus den Leitmedien den großen Sturm der Entrüstung über die Querdenken-Demonstration losbrechen ließ, die damit jedoch nicht das Geringste zu tun hatte.

 

Was es mit diesem „Sturm“ auf sich hatte, thematisiert Nikolai Nehrling selbst, diesmal tatsächlich „am Rande“ der Querdenken-Kundgebung im Tiergarten (allerdings wohl zu einem Zeitpunkt, als diese bereits beendet war) auf Nachfrage in diesem Interview:

„Und da frag ich mich wirklich, ob das vielleicht sogar gewollt war, um anschließend dann solche Demonstration zu diskreditieren.“

 

Möglicherweise plaudert er da, um sich bei Querdenken wichtig zu machen, ein wenig aus dem Nähkästchen. Aber wie dem auch sei – dass der in der rechten Szene bekanntermaßen ausgezeichnet vernetzte Staatsschutz bei dem „Sturm“ seine Finger kräftig im Spiel hatte, weil die politische Corona-Exekutive die Bilder brauchte, stand schon am Abend des 29. August zu vermuten. Mittlerweile kann es wohl kaum noch in Zweifel gezogen werden. Und auch nicht, dass Leute wie der Herr Restle recht mutwillig beiseite geschaut haben müssen, um das nicht jedenfalls in Betracht gezogen zu haben und stattdessen fleißig die Mär zu kolportieren, die Geschichte habe irgendwie mit Querdenken zu tun gehabt.

 

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass in den zahlreichen und gut ausgestatten politischen Redaktionen von ARD und ZDF es nirgends Leute gegeben hat, die wussten, dass jede Kundgebung in dem sogenannten „befriedeten Bereich“ um den Bundestag verboten ist, sofern keine ausdrückliche ausnahmsweise Erlaubnis seitens des Bundesinnenministeriums dafür vorliegt, von der ja wohl niemand annehmen konnte, dass sie in diesem Fall erteilt worden war; dass also die Kundgebung von Anfang an, d. h. schon beim Aufbau der Bühne etc. von Rechts wegen hätte unterbunden werden müssen (und auch können: ganz ohne den geplanten „Schutzgraben“.). Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Tagesspiegel, der das drei Wochen später „enthüllt“ hat, nicht bereits am Tag der Demo oder vielmehr schon vorher auf diesen Trichter gekommen wäre. Der „Sturm“ hat halt einfach zu gut in das Bild gepasst, das man lange vorher sich und dem Publikum von den Corona-Protesten gepinselt hatte, als dass man zur Not ihn nicht womöglich glatt hätte erfinden müssen, hätte es nicht handfestere Mittel gegeben, ihn ins Bild zu setzen. Und denen fährt kein staatstragendes Medium in die Parade.

 

Alles in allem ergibt sich da das ziemlich gruselige Bild eines gut eingeübten Zusammenspiels zwischen der politischen Repräsentanz der Exekutive, dem Staatschutz und den staatstragenden Medienapparaten, das ein ausgeklügeltes Zerrbild von der Querdenken-Bewegung und ihren Demonstrationen und Kundgebungen produziert und verbreitet. Wenn du dir also ein auch nur halbwegs zutreffendes Bild davon machen möchtest, wie’s bei Querdenken zugeht und insbesondere am 29. August in Berlin zuging, dann schau dir besser zum Beispiel die auf querdenken-711.de platzierten vier Videos von KenFM zum 29.8. an.[3]

 

Die Corona-Proteste im Zwielicht

Und ja: Zur Vollständigkeit eines solchen Bildes gehört natürlich auch das z. T. recht hässliche Zwielicht, das auf einen Großteil jener Medien und ihres Personals fällt, die jetzt dem Corona-Protest Gehör verschaffen und ihn sichtbar machen. Zum Beispiel auf KenFM, aber etwa auch auf von Russland finanzierte Medien wie RT (Russia Today) und Ruptly und sicher noch auf allerhand andere. Vorsicht beim Genuss ist da zweifellos angebracht. Das gilt aber auch für solche Medien wie etwa die Nachdenkseiten oder Rubikon, die einigermaßen unverdächtig sind, „rechtsoffen“ zu sein, allerdings durchaus hin und wider antiamerikanische oder gar (das weiß ich jetzt nicht so genau) antizionistische Ressentiments bedienen. Das Fatale der derzeitigen politischen Großwetterlage besteht ja u. a. darin, dass selbst für solche hochseriösen und politisch völlig unverdächtigen Stimmen der Kritik des Corona-Narrativs wie die von Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi der weniger anrüchige Teil der Medien nahezu vollständig verrammelt ist (winzige Ausnahmen wie bei ServusTV bestätigen leider nur die Regel). Und wenn dieser sogenannte Mainstream einmal der Kritik ein Türchen öffnet, dann in aller Regel (s. o.) enorm manipulativ zu dem einzigen Zweck, sie grob zu verstümmeln. Was also bleibt der Kritik, als entweder sich ins Zwielicht zu begeben oder zu verstummen?

 

Nicht zuletzt daraus speist sich eine zweite Fatalität der uns bedrängenden Zeitläufte, die darin besteht, dass nicht weniges von dem, was an scheinbar bloß absurden Verschwörungsmythen und sonstigen Abstrusitäten vor „Corona“ sein wimmelndes Dasein in jenem Zwielicht fristete, seither mit Rasanz von der Wirklichkeit eingeholt worden zu sein scheint. Und natürlich treibt das nun viele Anhänger solch seltsamer Welterklärungen zum Protest und damit an die Seite all jener, die wirklich nur der Wunsch auf die Beine gebracht hat zu verhindern, dass im Namen eines fragwürdigen Gesundheitsschutzes Vernunft und Augenmaß und unsere republikanischen Freiheitsrechte beerdigt werden.

 

Die Zahl letzterer halte ich nach wie vor für die weitaus größere bei Querdenken und Co. Und mir scheint, dass man sich dort der Gefahr, am Ende womöglich zu Recht sich ins Zwielicht gerückt zu sehen und dann jenem Zweck, für den man aufgestanden ist, einen Bärendienst geleistet zu haben, durchaus sehr bewusst ist. Ein starkes Indiz dafür ist im obigen Interview, das am 3. September, also kurz nach dem 29.8. aufgezeichnet wurde, der Hinweis Michael Ballwegs (Min. 4:00 f), man habe – offenbar als Konsequenz aus den Erfahrungen vom vorangegangenen Wochenende – sich entschlossen, die für den 3. Oktober geplante Demonstration von Berlin nach Konstanz zu verlegen, weil aus dem rechtsextremen Spektrum „an diesem Tag wieder massiv mobilisiert wird … nach Berlin“, ein Hinweis, den er gegen Ende des Interviews (Min. 25:22 f) noch einmal wiederholt.

 

Es gibt da allerdings ein Dilemma, das mir kaum auflösbar zu sein scheint und dem Gerede vom „Rechtsoffen“-Sein des Protestes ein Stück Plausibilität verleiht. Man kann nicht gegen den dominierenden Diskurs, der von vornherein die sachliche Argumentation durch Gesinnungshuberei ersetzt hatte, eine streng auf die Sache bezogene Diskussion aller mit „Corona“ zusammenhängenden Fragen verlangen und zugleich die Anhänger dieses Verlangens einer Gesinnungsprüfung unterziehen. Man kann auch kaum die Parolen und Symbole, die auf den Demos präsentiert werden nach dem Motto „die schlechten“ (z. B. die schwarz-weiß-rote Fahne) „ins Kröpfchen“ und „die guten“ (z. B. die bunte Pace-Fahne) „ins Töpfchen“ sortieren. Und schon gar nicht ginge es an, jeweils im Vorfeld, wie’s Restle gerne hätte, alle Gruppen oder Personen, die zur Demo jeweils aufrufen, mit Qualitätssigeln danach zu versehen, von wem einem das genehm sei und von wem nicht. Es muss da wohl oder übel genügen, was bei den Querdenken-Versammlungen meines Wissens bislang ziemlich regelmäßig geschieht, worauf im obigen Interview auch Michael Ballweg bezüglich des 29.8. verweist und was er dort auf der Kundgebung im Tiergarten einmal mehr in seiner Eröffnungsrede gleich am Beginn wiederholt hat: nämlich die allgemeine Ansage:

„Wir sind Demokraten. Rechtsradikales, linksradikales, rechtsextremes, linksextremes, faschistisches, menschenverachtendes Gedankengut hat in unserer Bewegung keinen Platz.“

 

Alle darüber hinausgehenden Festlegungen, Präzisierungen und vielleicht auch nötigen Modifikationen dieser Ansage werden in der Auseinandersetzung jeweils an der Sache selber zu entscheiden sein. Nur darin kann und muss dann auch die Spreu vom Weizen sich trennen. Bei der WASG, an die mich vieles bei den Corona-Protesten erinnert, war das nicht anders, wenngleich ich, von heute aus gesehen, nicht mehr so ohne weiteres sagen könnte, wo bei den diversen Trennungen auf dem Weg zur Partei DIE LINKE die Spreu und wo der Weizen zu liegen gekommen ist.

 

Im Keller von Antifa und Linken: genug Leichen

Im Übrigen: Was regen wir uns auf über einen Nikolai Nehrling, der sich an Querdenken eine Zeitlang ranwanzen konnte? Hocken wir doch – nur zum Beispiel – in der AKL immer noch mit einer Inge Höger zusammen. Die hat vor zehn Jahren als MdB der Linken ihrer Partei eine deprimierende Sternstunde ihres parlamentarischen Daseins beschert, als sie von Erdogans Türkei aus auf dem Frauendeck eines Schiffs der „Free-Gaza“-Flotte gen Israel fuhr. Deren Aufbringung durch die israelische Marine hatte nämlich den Anlass für einen Beschluss in seltener Einstimmigkeit geliefert, worin der Bundestag Israel die Leviten las und die flotte Forderung sich zu eigen machte, Gaza – nicht von der Hamas, sondern von Israel – zu „befreien“ (zum Kontext dieser Geschichte s.: Die Linke, der Antisemitismus und Israel).

 

Und es bleibt Ballwegs Antwort auf die Eingangsfrage des Herrn Restle richtig: Angesichts der dünner als dünnen gesundheitspolitischen Faktenlage wiegt der fortgesetzte Anschlag des Corona-Regimes auf die freiheitlich-demokratische Ordnung unserer Republik allemal viel schwerer als sämtliche bösen Vorsätze, die gegen dieselbe am rechten Rand der Gesellschaft gehegt werden.

 

Nein, L., Michael Ballweg ist weder „ein Idiot“, der aus gedankenloser Indifferenz „kein Problem mit Nazis“ hätte, noch der böse „Wolf im Schafpelz“. Ihm sind nur nicht die Maßstäbe derart verrutscht wie der linksdeutschen „Wir impfen euch alle“-Antifa, die freilich bereits 1999 außerstande war, die Frage korrekt zu beantworten, was denn wohl schlimmer sei: eine deutsche Regierung, die, an die Tradition des deutschen Faschismus anknüpfend, die Tornados ihrer Bundeswehr Nato-Bomben auf Belgrad ins Ziel lenken lässt, oder ein paar hundert oder auch tausend neudeutsche Nazis, die gegen die durch die Republik tingelnde sogenannte Wehrmachtsausstellung demonstrieren.

 

Die WASG, die Pariser Commune und „die Kräfte der Kritik“

Du findest es, schreibst du, „umso schlimmer“, dass „diese Strömung“, d. h. Querdenken, „es gerade“ sei, „die jetzt die Kräfte der Kritik an der Corona-Politik mobilisiert“, so als hätte da etwas bereitgestanden und auf eine Gelegenheit gewartet. Ich denke jedoch, es verhält sich genau andersherum: Der Irrsinn der Corona-Politik hat ganz unweigerlich „die Kräfte der Kritik … mobilisiert“, und diese haben Querdenken (und noch einiges andere) überhaupt erst hervorgebracht und geben sich darin ihren demonstrativen Ausdruck. Die „Kräfte der Kritik“ aber sind, wie sie sind, die kann sich niemand schnitzen. Und wie sie nun einmal sind, erinnern sie nicht nur an die in unser unmittelbares politisches Erleben fallende Protestbewegung gegen Schröders Agenda-Politik, aus der schließlich die Linke hervorgegangen ist, sondern weisen auch in gewissen Hinsichten interessante Parallelen auf zu der historisch weit entfernten Aufstandsbewegung gegen das zweite französische Kaiserreich, die in der nur wenige Wochen währenden Commune von Paris ihren Höhepunkt und dann auch ihr schreckliches Ende fand.

 

Sich mit solchen Parallelen näher zu befassen, täte irgendeiner „Würde“ der Commune wahrlich keinerlei Abbruch. Eher schon legte deren fatales Endes es nahe, Querdenken in Schutz zu nehmen vor einer „Verbindung“ der beiden Geschehen miteinander. Aber ums „in Ehren halten“ der Commune und der Kommunarden, um ein feierliches Gedenken, um ihre Einbalsamierung in einem Mausoleum, wie es Stalin und seine Spießgesellen an dem armen Lenin verbrochen haben, geht es mir, wie sich wohl denken lässt, überhaupt nicht. Die Pariser Kommunarden eigneten sich dazu auch schlecht, denn neben dem, worauf ich in Corona-Zeiten-Wende (s. dort den Abschnitt III „Die Corona-Opposition und das Proletariat“) schon verwiesen habe, besteht eine weitere Parallele gerade in dem, was manche unter uns von Querdenken so abstößt: in der ausgesprochenen Heterogenität des Personals, das diese Bewegung organisiert und repräsentiert, sowie auch in dessen Namenlosigkeit, die zu einem Eindruck von Wirrnis und Unberechenbarkeit ihrer politischen Physiognomie führen mag. Auch unter den Pariser Kommunarden gab es nicht wenige zweifelhafte Gestalten, politisch völlig unerfahrene Nonames, wichtigtuerische Schwätzer und natürlich auch Spitzel und Provokateure oder einen reaktionären „Wolf im Schafspelz“ hin und wider auf verantwortlichen Posten. So ging und geht nun einmal bis auf weiteres des Menschenpacks Weltgeschichte.

 

Es hilft daher m. E. nichts: Politisch werden wir uns entscheiden müssen, ob wir die gegebenen „Kräfte der Kritik an der Corona-Politik“ unterstützen und – wo nötig auch wiederum durch Kritik – stärken oder aber durch irgendeine Variante zwischen Hinnahme und Apologetik eben jener „Corona-Politik“ das Wasser tragen. Rein intellektuell mag da noch einiges andere gehen, aber einen politischen Raum dazwischen sehe ich nicht.

 

Ich hoffe, durch meine längliche Antwort dich jetzt nicht überfahren zu haben, und wünsche dir und mir und uns allen eine produktive Debatte dazu.



[1] Der Text findet sich, was ich bei Abfassung meiner Antwort noch nicht wusste, unter dem Titel „Auf hauchdünnem Eis“ auch bei Rubikon, versehen mit dem Datum 29.10.2020 und, anders als bei Trend, auch mit einem Autorennamen: Matthias Müller.

[2] Monitor (Studio M): Querdenken am rechten Rand. Am 4.9.2020 vorabveröffentlichter Ausschnitt aus der Sendung vom 7.9.2020.

[3] Nachtrag: Auf querdenken-711.de sind die Videos nicht mehr verlinkt. Zumindest drei davon sind im Netz mit etwas Mühe aber noch zu finden: „Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden“ am 29.08.2020 (Teil 1), KenFM am Set: Demo Berlin 29.82020 (Teil 2) und KenFM am Set: Demo Berlin 29.08.2020 (Teil 3, Auszüge die Redebeiträge).

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